Schwerelos unbeschwert - Die Internationale Raumstation 

History of Innovation

Erinnern Sie sich noch an das Lied von 1982 von Peter Schilling – Major Tom? Spätestens beim Refrain, wissen Sie was gemeint ist: „Völlig losgelöst von der Erde, schwebt das Raumschiff, völlig schwerelos“. Und, klingelt es? Ja genau, Major Tom, der rebellische Raumschiffkommandant, der vom geplanten Kurs abweicht und in die endlose Schwerelosigkeit des Weltalls entflieht. Peter Schilling besingt in seinem Disco-Hit diesen Moment der Leichtigkeit. Alles was einen nach unten zieht verschwindet. All die Schwere, die Last, ein Synonym der Sorglosigkeit. So stellen wir sie uns zumindest vor – die Schwerelosigkeit. Wenn wir schwerelos sind, haben sich viele Probleme des Alltags erledigt. Treppensteigen oder die schwere Einkaufstasche wäre in einer Welt ohne Gravitation kein Thema mehr. Eine Welt ohne Anziehungskraft – wie wundervoll wäre das doch?

Astronauten im Weltall

 

 

 

In unserer DocuSign Serie „Die Geschichte der Innovation in 50 Vereinbarungen“ wird die Geschichte besonderer Menschen, die Innovationen vorangetrieben haben, erzählt. Wir zelebrieren Einfallsreichtum, Innovationsgeist und Genialität, denn ohne diese Zutaten wäre unser Leben von heute in dieser Form nicht möglich.

Ein Vorzeigebeispiel dafür, was die Menschheit geeint leisten kann,  ist die internationale Raumstation – kurz ISS. Sie ist der äußerste bewohnte Außenposten der Menschheit und umkreist in 400 km Höhe die Erde. 

Erst kürzlich am 17. November 2020 reisten vier Astronauten mit dem Raumtransporter "Crew Dragon" des von Elon Musk geführten privaten Unternehmens SpaceX erfolgreich zur ISS. Diese Mission gilt als Wegbereiter zukünftiger bezahlter Raumflugmissionen mit einem Privatunternehmen und der Kommerzialisierung des Weltraums. 

Im folgenden Artikel ehren wir die innovative Erfindungsgabe, die zum Bau des meisterwerklichen Konstrukts - der ISS führte. Ebenso gewähren wir Einblicke in den schwerelosen Alltag von Astronauten, die bis zu Ihrem letzten Arbeitstag zu extrem vertraglichen Bedingungen missionieren.  Was die Astronauten in diesem Moment aus dem All sehen, sehen Sie zu jedem Zeitpunkt hier

Das internationale Projekt

Die ISS ist ein gemeinsames Projekt der US-amerikanischen NASA, der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos, der europäischen Raumfahrtagentur ESA sowie der Raumfahrtagenturen Kanadas CSA und Japans JAXA. In Europa sind die Länder Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Norwegen, Schweden, die Schweiz, Spanien und das Vereinigte Königreich beteiligt. Im Jahre 1998 wurde dazu ein entsprechendes Abkommen für den Bau der Raumstation unterschrieben und am 20. November 1998 erfolgte der Start des Zentralmoduls der Internationalen Raumstation ISS.  

Seit diesem Zeitpunkt, ist die Raumstation auch 365 Tage im Jahr von Astronauten bewohnt und dient als Forschungsstation im Weltall. Das wissenschaftliche Herzstück für die europäische Forschung auf der Internationalen Raumstation ist seit zehn Jahren das Weltraumlabor Columbus. In der Schwerelosigkeit gewinnen Forscher einzigartige Erkenntnisse aus unterschiedlichsten Disziplinen, von Astrophysik über Materialforschung bis hin zu Psychologie und Behandlungsmöglichkeiten in der Medizin.  Die Besatzungsmitglieder führen in den 6 Monaten ca. 300 Experimente durch.

Entwicklung, Konstruktion und Wartung der ISS haben bislang etwa 100 Milliarden Euro gekostet. Die ESA trägt davon rund neun Milliarden; jeder Einwohner der 22 ESA-Staaten zahlt damit grob zwei Euro pro Jahr für Leben und Forschung im All. Deutschland ist mit etwa 37 Prozent am Betrieb und mit rund 45 Prozent an der Wissenschaft auf der ISS beteiligt und damit der wichtigste Partner der ISS in Europa.

Internationale Raumstation

 

 

 

Das sind beachtliche Summen die hier ausgegeben werden und so drängt sich berechtigterweise die Frage auf, welchen Nutzen die Raumfahrt zu bieten hat. Bei dem Thema Raumfahrt denken viele Menschen an Raumkapseln, Trägerraketen oder an einen Astronautenanzug. Die Anforderungen an die Raumfahrt gestalten sich aber wesentlich komplexer und umfassen oft mehrere Disziplinen. Die Ergebnisse der Forschungen entdecken wir in unserem Alltag. Viele Dinge gäbe es ohne die Forschung und den Erkenntnissen der Raumfahrt nicht. Hier ein paar Beispiele von Entwicklungen der Raumfahrt:

  • Babynahrung, genauer gesagt die Fettsäuren, die heute in Babynahrung vorkommen
  • Akkuschrauber und Handstaubsauger
  • Transparenter Zahnspangen-Kunststoff 
  • Strich-Code – um Herr der Lage im Ersatzteillager zu werden
  • Sonnenbrillen mit UV-Schutz
  • LED
  • Satellitentelefone
  • Smartphone-Kamera
  • feuerfeste Anzüge 

Das fliegende Fußballfeld

Die ISS ist in etwa so groß wie ein Fußballfeld. Die Länge der gesamten ISS-Struktur beträgt etwa 109 Meter, das bewohnbare Volumen sind 388 Kubikmeter, die Masse der ISS beläuft sich auf etwa 420 Tonnen. Mit einer Geschwindigkeit von 28.800 km/h umkreist die Raumstation in einer Höhe von 400 Kilometern die Erde.

Die Astronauten erleben dabei 16 mal am Tag einen Sonnenaufgang und dies ist nur eines von vielen Dingen, die den gewohnten Alltag im All auf den Kopf stellen. Das einfache Nichtvorhandensein einer Gravitation stellt die Besatzung schon bei den einfachsten Tätigkeiten des Alltags vor komplexe Herausforderungen. Und diese Herausforderungen beginnen mit der Anreise der Crew. Der Abreisebahnhof befindet sich in Baikonur, Kasachstan. Von dort aus startet die russische „Sojus-Kapsel“ und bringt die Besatzungsmitglieder innerhalb von 9 Minuten Flugzeit in die Nähe der Raumstation. Das Andocken dauert 6 Stunden und ist eines der risikoreichsten Manöver der ganzen Mission. Für den Transport der Crews und ihre Versorgung waren bisher 352 Weltraumflüge notwendig.

Das Andocken der Kapsel hat funktioniert und die Astronauten betreten oder besser gesagt, beschweben die Raumstation. Ab jetzt beginnt die Schwerelosigkeit. Die Fortbewegung funktioniert schwebend und man hantelt sich an Gegenständen und Wänden durch die runden Gänge der Raumstation. Was einem Neuankömmling dabei sofort auffällt: es schweben nicht nur alle Astronauten im Raum umher, sondern auch alle Gegenstände, die nicht fixiert wurden. Was dies im Detail zu bedeuten hat:

Alles, was nicht niet und nagelfest befestigt wurde, kann zu einem Geschoss werden und Besatzungsmitglieder verletzen oder die Technik beschädigen. 

Über Tropfen, Krümel und Haare 

Die Schwerelosigkeit hat ihre Tücken. Während auf der Erde ein Apfel vom Baum und auf den Boden fällt, schwebt er in einer schwerelosen Raumstation einfach umher. Kein Problem wenn es sich um einen Apfel handelt. Bei Flüssigkeiten sieht die Sache schon anders aus. Flüssigkeiten zerlegen sich in der Schwerelosigkeit in einzelne Wassertropfen die unkontrolliert umher schweben. Dasselbe gilt für Brösel, Staub oder Haare. Die große Herausforderung besteht darin, solche „Kleinteile“ erst gar nicht zu produzieren. Nicht ganz einfach, denken wir an Tätigkeiten wie Händewaschen oder einen Kaffee zubereiten. Sowohl was das Thema Körperhygiene betrifft, als auch das Thema Ernährung, musste man  innovativ umhandeln:

Die kulinarische Seite der Raumfahrt: 

Essen im Weltall

 

 

 

Die Astronauten verbringen 6 Monate auf der Raumstation. Die dafür benötigte Verpflegung wird in einer Versorgungskapsel mitgeliefert. Bei den Nahrungsmitteln handelt es sich um dehydrierte Fertiggerichte und Flüssigkeiten wie Saft werden aus Trinkbeutel mit einem Trinkhalm verzehrt. Eine Dose Cola in der Raumstation zu öffnen, ist keine gute Idee und auch auf Brot wird im Weltall verzichtet. Der selbe Verzicht gilt für Marmelade und Butter.

Wenn die Besatzung schon die beschränkte Speisekarte in Kauf nehmen muss, darf zumindest eines nicht fehlen: der Kaffee. Ohne Kaffee würden nicht nur viele Büros auf der Erde stillstehen, auch Astronauten wollen auf das schwarze Gold nicht verzichten.

Um dem Kaffeegenuss auch im Weltall frönen zu können, wurde daher eine Espressomaschine für die schwerelose Umgebung entwickelt: seit 2015 verrichtet die „ISS-Presso“ ihren Dienst und versorgt die Astronauten mit Kaffee. Die Kaffeemaschine wiegt 20 kg und muss einem Druck von 400bar standhalten. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Kaffeemaschine: Wasser ist auf einer Raumstation das wichtigste Gut. Ein Liter des kühlen Nass kostet bis zu 12.000 Euro. Angesicht solcher Kosten macht es durchaus Sinn, wenn auch die Kaffeemaschine einen sparsamen Wassergebrauch hat. Geschmacklich unterscheidet sich der Weltall-Espresso anscheinend nicht von einem Espresso an der Bistrobar in Italien. Der einzige Unterschied: getrunken wird der Espresso auf der Raumstation aus dem ungeliebten Trinkbeutel mit Trinkhalm, also nichts für Kaffeefeinschmecker. 

Körperhygiene in der Schwerelosigkeit

Wie bereits erwähnt, ist die Verwendung von Flüssigkeiten in einer Raumstation zum einen äußerst problematisch, zum anderen eine natürliche Notwendigkeit. Dass es auf der ISS keinen Whirlpool gibt, wird die wenigsten überraschen. Eine Duschkabine oder eine Badewanne würde in der Schwerelosigkeit ebenfalls in einem Fiasko enden und ist dem zur Folge auch nicht vorhanden. Es gibt an Bord kein fließendes Wasser und die Körperreinigung erfolgt daher mit feuchten Tüchern. Auch bei der Toilette musste man sich etwas einfallen lassen, und so wurde eine Toilette mit einer Absaugvorrichtung mit Unterdruck entwickelt. Da gerade Astronauten viel trinken müssen, müssen sie auch öfter zur Toilette. Der Urin wird dabei wiederverwertet und als Trinkwasser wieder aufbereitet.

Und wie sieht es mit Haarewaschen aus? Auch dafür musste man ein eigenes Shampoo entwickeln. Der Clou an der Sache: das spezielle Shampoo wird nicht wie üblich mit Wasser ausgespült, sondern mit feuchten Tüchern abgetrocknet.

Um das Thema Körperhygiene noch abzurunden, wie putzen sich Astronauten eigentlich ihre Zähne? 

Die gewöhnliche Routine Zähneputzen, den Mund ausspülen und ausspucken ist auf der Raumstation nicht möglich. Die Lösung: essbare Zahnpasta die man einfach schluckt. Wieso gab es das nicht schon in unserer Kindheit? 

Der Beauty-Salon

Die Besatzung bleibt für 6 Monate an Bord. In dieser Zeit wachsen natürlich auch Haare oder Nägel. Auch hier bedarf es aufgrund der Schwerelosigkeit einer besonderen Verfahrensweise, denn niemand in der Crew hat Lust, herum schwebende Haare seines Kollegen einzuatmen. Die Lösung: Rasierer mit eingebauter Absaugung. An so einer Maschine hätte sicherlich auch Ihr Friseur eine große Freude. Kein lästiges Kehren mehr im Friseursalon.

Wer rastet, der rostet

Diese Weisheit gilt auch im Weltraum, denn durch die Schwerelosigkeit werden die menschlichen Muskeln nicht beansprucht und würden sich innerhalb des sechsmonatigen Aufenthaltes auch dementsprechend zurückbilden. Um dem vorzubeugen, ist Sport auch in der Raumstation angesagt. Im eigens installierten Fitnessstudio halten die Astronauten so ihre Muskeln fit, damit es bei der Landung auf der Erde kein böses Erwachen gibt. Abgesehen vom Gesundheitsaspekt ist es auch ein willkommener Zeitvertreib, denn die Tage im Weltall können sehr lang sein. Selbst wenn die Sonne 16 mal am Tag aufgeht.

Der wohlverdiente Schlaf im Schlafsack

Am Ende eines anstrengenden Arbeitstages begeben sich die Astronauten in ihren Schlafbereich. Dort erwartet sie weder eine Matratze noch Polster. Die Schwerelosigkeit stellt einen selbst beim Thema Schlafen vor gewisse Herausforderungen. Die Lösung ist auch in diesem Fall sehr einfach: Die Astronauten übernachten in einem befestigten Schlafsack. Dies verhindert ein unbemerktes und unkontrolliertes Umherschweben während des Schlafs. Aufgrund der bereits erwähnten Sonnenaufgänge empfiehlt sich auch das Tragen einer Schlafmaske.

Im Weltall schlafen

 

 

 

Die Rückkehr in der Kapsel 

6 Monate sind auf der ISS nun vergangen und es ist nun an der Zeit für einen Schichtwechsel. Die Heimreise erfolgt in der „Sojus“ Kapsel. Nach circa 3 Stunden erreicht die Kapsel die Erdatmosphäre und 2 der 3 Kapselteile verglühen. Übrig bleibt lediglich die Passagier Kapsel geschützt durch ein Hitzeschild. Bremsraketen und ein Fallschirm federn die Landung zwar ab, für die Insassen fühlt es sich aber eher an wie ein Verkehrsunfall.

Nach der Rückkehr zur Erde, vergehen für die Astronauten einige Wochen, bis sich wieder ihr Körper an die Gravitation angepasst hat.

Nach diesen Einblicken in den Alltag der Astronauten auf der Raumstation hat sich bei aller Science-Fiction-Nostalgie eines klar herausgestellt: das Vorhandensein der Gravitation mag im irdischen Alltag manchmal zwar für Unmut sorgen, andererseits sieht man gerade am Alltag der Raumfahrer, welche Hürden und Hindernisse die Schwerelosigkeit mit sich bringt. Es wäre daher vielleicht einmal an der Zeit zu sagen:

Trotz der unfassbar technisch raffinierten und kreativen Innovationen, die es den Astronauten ermöglicht im All zu leben und zu arbeiten, danke Erdanziehung, dass du da bist!

Die internationale Raumstation hat seit ihrem Bestehen die Menschheit bereichert und in vielerlei Hinsicht vorangebracht und gehört aus diesem Grund, zu unseren 50 Innovationen, die in die Geschichte eingegangen sind.

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Docusign Contributor
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